Der Bürgermeister informiert
Das Aufgabenspektrum und die Herausforderungen werden das Gremium, jede Stadträtin, jeden Stadtrat erheblich in Anspruch nehmen. Verantwortung in solchem Maß zu übernehmen ist überaus anerkennenswert, ehrenamtliche Arbeit für die gesamte Bürgerschaft im besten Sinn, dem allenfalls noch die Bereitschaft der Frauen und Männer der Freiwilligen Feuerwehr nahekommt.
Die Qualität unserer Stadt, der Gemeinschaft, der Bürgergesellschaft misst sich ein großes Stück weit an diesem Einsatz und der Bereitschaft, sich um das Gemeinwesen insgesamt zu kümmern, es mit zu gestalten. Und dabei ist natürlich auch das Engagement all jener unverzichtbar, die sich in den Kindertagesstätten, Schulen, Kirchengemeinden, Pflegeheimen, beim Technischen Hilfswerk, im Roten Kreuz und den örtlichen Vereinen ehrenamtlich engagieren. Sie alle machen letztlich eine Stadt wie Kenzingen aus.
Andererseits ist das Gemeinwesen, die Kommune, für nicht wenige Bürgerinnen und Bürger nur die Adresse für ihre höchst persönlichen Anliegen. Das eigene Interesse hat alleinigen Vorrang und die Stadt hat dies durchzusetzen, dem Rechnung zu tragen. Diese Erwartungshaltung, Sichtweise der Dinge, gibt es durchaus auch in Kenzingen.
Da wird eine Straße umgebaut und erneuert, deren Durchgangsverkehr die Anwohner seit Jahrzehnten tagtäglich belastet. Schon die Umleitung auf eine Parallelstraße für die Dauer weniger Wochen ruft geharnischten Protest einiger erstmals und zeitlich begrenzt einer höheren Verkehrsbelastung ausgesetzten Anlieger hervor.
Wenn Anlieger eines Wohngebietes Verkehrsregelungen nicht beachten und dort im PKW mit unangemessener Geschwindigkeit unterwegs sind, werden von der Stadt vor Ort Rückbaumaßnahmen gefordert. Dass Tempo 30 flächendeckend angeordnet ist und damit Vorfahrt rechts vor links gilt, wird dabei ebenso regelmäßig ausgeblendet wie z. B. das Verbot zum Linksabbiegen in genau dieses Wohngebiet von der Offenburger Straße aus.
Der Hochwasserentlastungskanal zwischen der Bombacher Straße und der Elz schützt die Innenstadt vor Überflutungen, vermindert den Rückstau in die Oberflächenentwässerung der Baugebiete Petersbreite und Im Kohler und bietet eine zusätzliche Erholungsmöglichkeit nahe der Kernstadt. Ungeachtet der platzierten Tütenspender wird er umgehend als ‚Hundekotweg‘ tituliert, wird die Einzäunung privater Grundstücke durch die Stadt angeregt.
Gegen das Eindringen von Grundwasser in Kellerräume haben die Hauseigentümer selbst Vorsorge zu tragen. Darauf weist die Stadt in ihren Bebauungsplänen regelmäßig hin und schreibt in gefährdeten Bereichen auch entsprechende Vorkehrungen vor, seitdem dies rechtlich möglich ist. Unabhängig davon wird sie bei Wassernot nach Starkregenereignissen regelmäßig für die Schäden in der Folge verantwortlich gemacht. Dass kommunale Planungen immer auf fachlichen Untersuchungen und Gutachten gründen und die Stadt erhebliche Anstrengungen unternimmt, um das Eigentum ihrer Einwohner vor Unwetterfolgen zu schützen, interessiert nicht.
Ein Bolzplatz im Neubaugebiet wird gut angenommen und wertet so für die einen das Wohnumfeld auf, während andere aus ebendiesem Grund eine erhebliche Einbuße an Wohnqualität geltend machen.
Die Fasnet ist seit vielen Jahrzehnten ein fester Bestandteil im Jahresverlauf der Stadt und wird von vielen Hunderten über sechs Tage gefeiert. An einigen dieser Tage passiert dies naturgemäß – Straßenfasnet - unter Einbeziehung des öffentlichen Raumes zu nächtlicher Stunde. Die damit verbundene Musik, die für bestimmte Altersgruppen zum Feiern gehört, wird von manchem nur als Lärm empfunden, den die Stadt zu unterbinden hat.
Die Aufzählung weniger Beispiele will natürlich nicht abschließend sein. Und nachdrücklich sei festgehalten, dass diese Fälle nicht angeprangert, sondern von der Stadtverwaltung durchaus ernst genommen werden. Die Berechtigung jedes Einzelanliegens wird zunächst grundsätzlich vorausgesetzt, jeder Fall wird für sich geprüft und gegebenenfalls einer Güterabwägung unterzogen. Die Prüfung ist zunächst Sache der Verwaltung, im Zweifelsfall des Gemeinderates, eher selten auch einmal der Widerspruchsbehörde oder eines Gerichtes. Wo immer Abhilfe geschaffen werden kann, geschieht dies, wird dem Einzelinteresse nachgekommen und wo die Stadt berechtigt zur Haftung herangezogen wird, haftet sie selbstverständlich.
Allerdings sollten die Anliegen nicht dem Gemeininteresse entgegenlaufen. Wenn rechtlich möglich und zu rechtfertigen muss das Interesse der Bürgergemeinschaft, der Allgemeinheit, obsiegen können. Dazu gehört auch die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes öffentlicher Mittel. Alles andere würde bedeuten, einzelne Mitbürgerinnen und Mitbürger zu Lasten der gesamten Bürgerschaft zu bevorteilen.
Niemand ist eine Insel und das Leben in der Gemeinschaft beinhaltet zum einen, von der Gemeinschaft zu profitieren, an ihr teilhaben zu können und von ihr Toleranz zu erfahren. Zum anderen verpflichtet es aber auch den Einzelnen ein Stück weit zur Duldung dessen, was Gemeinde, Gemeinschaft an Beeinträchtigung, auch an Verpflichtung, mit sich bringt. Und dazu gehören Umleitungen, die Beachtung von Verkehrsregeln, die Beseitigung der Hinterlassenschaft des geliebten Vierbeiners, Pferde eingeschlossen, auch der rücksichtsvolle Umgang mit öffentlichem Eigentum. Zur Gemeinschaft gehören jung und alt, stark und schwach, geben und nehmen, leben und leben lassen. Zu Kenzingen gehören Kinderlärm und Friedhofsruhe, Fasnet und Fastenzeit, Fußgänger und Autofahrer. Nachsicht und Rücksicht in ausgewogenem Maß, die Sicht der Dinge auch einmal vom Standpunkt des Gegenübers aus, das wünscht sich mit Blick auf ein immer gedeihliches Miteinander in unserer Stadt
Ihr
Matthias Guderjan
Bürgermeister