Der Bürgermeister informiert
Nach 47 Berufsjahren, von denen ich mehr als die Hälfte Bürgermeister der Stadt Kenzingen sein durfte, gehe ich zum 31. März im Alter von 67 Jahren in Pension. Am 1. Juni wird der von Ihnen gewählte Nachfolger Dirk Schwier Ihr neuer Bürgermeister. In der Zwischenzeit wird Bürgermeister-Stellvertreter Karl Weiß die Amtsgeschäfte führen.
Sicherlich Anlass und der richtige Zeitpunkt für einen Rückblick, um Danke zu sagen und alles Gute zu wünschen.
Die Stadt Kenzingen ist für sich und im interkommunalen Vergleich in einem guten Zustand. Die Verwaltung ist personell leistungsfähig mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt und versteht sich mehr denn je als Dienstleister der Einwohnerschaft. Das gilt natürlich auch für den Betriebshof, den Stadtwald, die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung sowie die Kindertagesstätten. Die Feuerwehr ist zeitgemäß ausgestattet, die Kameradinnen und Kameraden sind bestens ausgebildet und engagiert, die Führung überaus kompetent. Die Schulen sind in vergleichsweise gutem baulichen Zustand, digitalisiert, in sie wurde und wird sicherlich auch künftig ebenso nachhaltig investiert wie in die Sportstätten. Regelmäßig wurde die Erneuerung von Kanälen, Wasserleitungen und Straßen vorangetrieben, der Stadtwald wird ökologisch und ökonomisch nachhaltig bewirtschaftet. Die Einwohnerzahl ist in den letzten 24 Jahren von 8.823 auf 11.049 Einwohner gewachsen, mithin um rund 1 Prozent pro Jahr. Die städtischen Finanzen sind gut geordnet und werden auch rezessive Momente unbeschadet überstehen.
Das alles ist keineswegs Werk eines Einzelnen, sondern Ergebnis jahrelanger guter Zusammenarbeit von Gemeinderat, Verwaltung und Bürgermeister unter fortwährender Einbeziehung der Einwohnerschaft mittels Information, Einwohnerversammlungen, Workshops und Arbeitskreisen. Dass der Gemeinderat dabei im Wege der Gesamtabwägung das Gemeininteresse mit berechtigten Einzelinteressen zu gewichten hat, die Zielkonkurrenz immer auch ein Stück weit Unzufriedenheit nach sich zieht, ließ und lässt sich sicherlich auch in Zukunft kaum vermeiden.
Der Bürgermeister ist dabei oft als Moderator, Mediator, Ideengeber gefragt. Aber ohne einen Gemeinderat, der konstruktiv mitarbeitet und ohne eine Verwaltung, die die Beschlüsse vorbereitet und umsetzt, ist das Stadtoberhaupt ein ‚König ohne Land‘, mithin auf verlorenem Posten.
Der Stadt, dem Gemeinderat und der Verwaltung 24 Jahre lang vorstehen zu dürfen war mir eine Ehre, für die ich über die Maßen dankbar bin. Dankbar den Wählerinnen und Wählern, die mir dreimal das Vertrauen geschenkt, mich beauftragt, haben. Dem Gemeinderat, der in fünf verschiedenen Zusammensetzungen letztlich auch bei schwierigen Themen immer zu Lösungen gefunden hat. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Vergangenheit und der Gegenwart, ohne deren Energie, Unterstützung und Rückhalt die Bewältigung der Aufgaben schlicht nicht möglich gewesen ist. Und bestimmt nicht zuletzt meiner Frau und meinen Kindern, die mit mir diesen langen Weg solidarisch und immer unterstützend gegangen sind und dabei manches ausgehalten haben. Ich kann diesen Dank hier nur in Worte kleiden, wohl wissend, dass Worte diesem Zweck nicht genügen können.
Das Klischee trifft tatsächlich zu: Ich scheide aus dem Amt mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Und das ist gut so. Lachend, weil es vom Alter, von der Amtszeit, von den Dienstjahren her richtig ist, Platz zu machen für eine neue Führung, für neue Impulse, neue Ideen, den vorhergesagten frischen Wind. Man stelle sich vor: Kinder, auch meine eigenen aus zweiter Ehe, waren noch nicht geboren, als ich Bürgermeister wurde und sind jetzt lange volljährig. Kenzingen hatte nach den vorliegenden Aufzeichnungen keinen Bürgermeister, der länger amtiert hat. Kaum zu glauben: In meiner Amtszeit gab es fünf US-Präsidenten, vier Ministerpräsidenten und drei Bundeskanzler.
Mit einem weinenden Auge, weil ich immer gerne Bürgermeister der Stadt Kenzingen war, den Dienst auch an den vielen Wochenenden und Abenden immer gerne geleistet habe. Die Begegnungen, das Miteinander in einer kleinen Stadt wie der unseren sind unmittelbar, die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit sicht- und erlebbar. Einem mittelständischen Betrieb – und nichts anderes ist die Stadt mit rund 230 Mitarbeitenden und 35 Mio. € Umsatz jährlich – vorstehen zu dürfen, dessen Ziele nicht die Gewinnmaximierung, sondern die bestmögliche Erledigung der Aufgaben, die Für- und Vorsorge für die Gemeinschaft sind, ist eine sinngebende und erfüllende Aufgabe. Was kann man bei entsprechender Einstellung mehr wollen?
Auch eine Phrase: Jedermann Recht getan ist eine Kunst, die niemand kann. Das trifft sicherlich zu auf Personen, die ihr Partikularinteresse über alles stellen und insofern eben nicht ganzheitlich abwägen wollen oder müssen. Deshalb gab und gibt es immer Unzufriedenheit, die dann in Mails, Veröffentlichungen und sozialen Netzwerken zum Ausdruck gebracht wird. In einer Zeit, in der auch kleine Befindlichkeiten Empörung auslösen, in der die Wortwahl schnell ins Unangemessene abgleitet, braucht es zuweilen ein gewisses Maß an Gleichmut, das dann möglicherweise als Gleichgültigkeit gedeutet wird.
Unmittelbar nach Amtsantritt des künftigen Bürgermeisters wird auch der Gemeinderat neu gewählt und nach Möglichkeit noch vor den Sommerferien seine Arbeit aufnehmen. Nachdem die Listen zur Kommunalwahl, auch zur Kreistagswahl, mittlerweile erstellt sind, danke ich schon heute allen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich bereit erklärt haben, in den kommenden Jahren im Fall ihrer Wahl Verantwortung zu übernehmen, wünsche viel Erfolg und eine gute Wahlbeteiligung.
Ich danke den vielen Einwohnerinnen und Einwohnern, die während meiner Amtszeit im Ehrenamt die Stadtgemeinschaft, die Bürgergesellschaft, mit Leben erfüllt haben, sei es als Gemeinde- oder Ortschaftsräte, in den Kirchengemeinden, in den Vereinen, der Feuerwehr, beim Roten Kreuz, auch in den Schulen oder Kindertagesstätten. Ich danke ganz herzlich Frau Ruth Winterle, Frau Alexandra Braun und Frau Jacqueline Fajković, die mich im Vorzimmer zusammen 24 Jahre lang begleitet und ausgehalten haben. Nicht zuletzt danke ich meinen Stellvertretern Rolf Schmidt, Hermann Kaspar, Günter Krug und Karl Weiß sowie den Ortsvorstehern für die fortwährende und wertvolle Unterstützung über so viele Jahre hinweg.
Der Stadt Kenzingen, meinem Nachfolger, dem Gemeinderat und den Mitarbeitenden der Stadt, allen Einwohnerinnen und Einwohnern eine gedeihliche Entwicklung, ein gutes Miteinander, uns allen, insbesondere unseren Kindern eine Zukunft in Frieden und Freiheit wünscht mit herzlichen Ostergrüßen
Ihr Matthias Guderjan
Bürgermeister